André Grenzdörffer im Interview über die aktuelle Situation der Gastronomie in Erfurt. Ein Interview zum Saint Patricks Day 2022.
Wie seid ihr als Team durch die bisherige Corona Zeit gekommen?
Wir sind grundsätzlich gut durchgekommen. Wir haben sämtliche Mitarbeiter halten können. Darauf sind wir besonders stolz! Für die Kollegen war es keine leichte Zeit: das üblicherweise zur Verfügung stehende Geld setzt sich aus dem normalen Gehalt, Zuschlägen, Trinkgeld, freier Verpflegung, betrieblicher Altersvorsorge usw. zusammen. Davon bleibt in Zeiten von Kurzarbeit nur rund 40 % übrig.
Man kann es nicht oft genug sagen: Danke an alle Kollegen für das entgegengebrachte Vertrauen und die gegenseitige Unterstützung!
Inwiefern verkompliziert die aktuelle Russland-Krise den Gastrobetrieb?
Planungssicherheit und Stabilität sind essenziell für die mittel- und langfristige Planung. Wir sind nicht in der Lage täglich die Abgabepreise an die Einkaufspreise anzupassen, wie bspw. die Tankstellen. Stell Dir mal vor, Du bekämst täglich eine neue Karte und darfst Dich von den Preisen überraschen lassen!
Vom gesamten Dienstleistungssektor wurde schon immer eine enorme Flexibilität abverlangt. Die jetzige Situation erreicht eine neue Qualität, weil wir es nun mit zwei schwer einschätzbaren Faktoren zu tun haben, die direkt und potenziell täglich das Geschäft beeinflussen: Corona und Ukraine.
Kann die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro Abhilfe schaffen?
Die Entlohnung ist immer nur ein Teil, der für die Mitarbeiterzufriedenheit wesentlich ist. Für viel wichtiger halte ich vernünftige Arbeitsbedingungen, transparente und berechenbare Führung und generell gegenseitige Fairness.
Um Deine Frage zu beantworten: Aus meiner Sicht hätte schon bei der Einführung des Mindestlohns 2015 die Untergrenze bei 10 € liegen sollen, am Wochenende bei 12 €. Die jetzige Erhöhung ist in Anbetracht der aktuellen inflationären Entwicklung das Minimum. Das Image der Branche ist zu Unrecht so schlecht. Als Koch oder Servicekraft kannst Du auf der ganzen Welt arbeiten, Du bekommst jeden Tag direktes Feedback und verbringst Deine Arbeitszeit da, wo andere ihre Freizeit verbringen. Zudem bekommst Du in der Gastronomie sehr leicht vielfältigen Zugang zu hochwertigen Produkten. Die Branche bietet sich für Genussmenschen an.
Wo hättet ihr euch mehr Hilfe gewünscht?
Von lokalen Banken hätte mehr Kooperation kommen können. Anstatt ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten, wurde einer ganzen Branche die Zwischenfinanzierung verwehrt. Und das, obwohl die staatlichen Mittelzuflüsse für die Unternehmen garantiert waren. Da hätte ich mir mehr Fingerspitzengefühl gewünscht.
Wie könnt ihr den Gastro-Betrieb dieses Jahr aufrechterhalten?
Das ist eine gute Frage. Bisher lief es in den Irish Pubs ganz gut. Im Januar und Februar 2022 bekam man die staatlichen Hilfen (Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfe) auch, wenn man mangels Wirtschaftlichkeit freiwillig schloss.
Wir haben in dieser Zeit ein gastronomisches Angebot geschaffen, bei dem wir am Wochenende komplett geöffnet hatten und in der Woche an ausgewählten Tagen, wie bspw. am Montag zum Bingo im Dubliner Irish Pub.
Insgesamt muss man unsere Leistungen dem Freizeitbereich zuordnen. Entsprechend benötigen wir möglichst niedrigschwelligen, idealerweise regelfreien Zugang für Kunden und Gäste. Da unterscheiden wir uns nicht vom Einzelhandel. Entsprechend wäre eine 2G+ Regelung der betriebswirtschaftliche GAU. Auch politisch macht es wenig Sinn, wenn die Geimpften keinen Vorteil haben. Es ist auch kein „Vorteil“, sondern die Aufhebung der Einschränkung von Grundrechten.
Zurück zum Thema: Die meisten Betriebe sind für die Überschreitung der Rentabilitätsschwelle auf eine gewisse Auslastung angewiesen. Diese lässt sich in der klassischen Gastronomie schwer vorhersagen, es sei denn man hat ein volles Reservierungsbuch. Mehr Gäste passen dann einfach nicht in den Laden.
Damit sind wir wieder bei der Flexibilität. Du kannst der beste Koch, der beste Manager oder der kreativste Quizmaster der Welt sein; Du bist immer nur so gut wie deine Mitarbeiter: innen. Nochmal, weil es mir wirklich wichtig ist: Liebe Kollegen – Hut ab! Ich möchte mich auf diesem Weg auch noch einmal bei allen bedanken. Das war stark.Auch die innovative Idee des digitalen Pubs zum St. Patricks Day 2021, von unseren Azubis und Dualen Studierenden war richtig cool.
Wie blickst du auf den Sommer 2022 für den Betrieb der Irish Pubs in Erfurt?
Voraussichtlich kann der Sommer wieder recht gut werden, der Biergarten wird voll. Es kommt neben der allgemeinen Wetterlage darauf an, wie die Reisetätigkeit in diesem Jahr ausfallen wird. Es sind auch Veranstaltungen geplant. Die vergangenen beiden Jahre haben gezeigt, dass die großen Biergärten überproportional vom Sommergeschäft profitieren. Vielleicht kommt es mir auch nur so vor, weil die Winter wegen der Lockdowns und Einschränkungen so waren, wie sie waren. Jedenfalls: Freisitze funktionieren.
Die Lust auf Gastronomie ist da; die Möglichkeit zum Verzehren unter freiem Himmel und in den Räumlichkeiten ist vorhanden. Zu betonen ist, wie wichtig der Tourismus für ganz Erfurt ist. Besonders für die Gastronomie und die Pubkultur gilt, dass unser menschliches Bedürfnis nach Geselligkeit, die Liebe zu Schönheit und Genuss nicht durch technische Innovationen zu ersetzen sind.
Für die allermeisten Gäste ist der Besuch einer Gaststätte (Restaurant, Kneipe, wie auch immer) etwas Besonderes und durch die steigenden Preise zukünftig leider selteneres Erlebnis. Die Erwartungen und Ansprüche der Gäste steigen. Der neue an unsere Leistungen angelegte Maßstab definiert sich durch Qualität. Genau hier setzen wir an und optimieren Einkauf und Abläufe, schulen die Mitarbeiter und überlegen uns, wie es trotz des enormen Kostendrucks möglich ist, dass auch der normale Mensch zu uns kommen kann. So kostet bspw. der halbe Liter Fassbier bei uns immer noch unter vier Euro.
Hast du noch Anregungen und Wünsche für das Jahr 2022?
Die Herausforderungen sind gewaltig und es wird für uns alle nicht leichter. Neben der medial in den Hintergrund getretenen Pandemiebekämpfung haben wir mit der Ukrainekrise (Energie, Flüchtlinge, Lebensmittel und andere Rohstoffe) und der Inflation drei echte Brocken vor der Brust. Dazu kommen die selbst auferlegten Transformationen hin zu grünen Technologien und die Demographie.
Ich wünsche mir, dass wir mit Augenmaß, Disziplin und Güte die kommenden Monate und Jahre gemeinsam und solidarisch meistern.
Vielen Dank für das Gespräch.